EU-Projekt Space@Sea: Zukunftsprojekt erfolgreich abgeschlossen

Über drei Jahre hat die GICON®-Gruppe zusammen mit 16 weiteren Partnern aus Wissenschaft und Industrie nach Lösungen für modulare und nachhaltige schwimmende Landflächen auf den Meeren geforscht. Hierbei haben die Ingenieure der GICON® eine Wartungsplattform mit einer autarken Energieversorgung entwickelt. Dabei handelt es sich um eine schwimmende, am Meeresboden befestigte Plattform, auf der bis zu 32 Personen arbeiten und leben können. Im Rahmen eines weiteren Arbeitspaketes wurde die Offshore-Kultivierung von Mikroalgen und deren Nutzungsmöglichkeiten in Aquakultur und Landwirtschaft untersucht. Gefördert wurde Space@Sea durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der Europäischen Union.

Schwimmende Inseln als zukünftiger Lebensraum auf dem Meer

Space@Sea untersuchte während der Projektlaufzeit von 2017 bis 2020 eine wichtige Frage der Zukunft. Wo befinden sich Lebens- und Arbeitsräume für den Menschen? Hintergrund sind u. a. die weltweit immer stärker wachsenden Bevölkerungszahlen und die begrenzten Landflächen. Durch den steigenden Bedarf an erneuerbaren Energien sowie Lebensmitteln sind neue Formen für Wohn- und Logistikzentren notwendig. Die Zentren sollen aus schwimmenden Teilplattformen entstehen, welche miteinander verbunden eine große U-förmige Insel ergeben. Die Teilplattformen sollen dabei die Form von Rechtecken haben und ca. 90 Meter lang sein. Erste Tests im Wassertank des niederländischen Maritime Research Institute Netherlands (MARIN) haben gezeigt, dass das System schon heute einsatzfähig ist. Die Verankerungsformen sollen je nach Standort der Inseln angepasst werden und auf Verankerungspfählen basieren.

Wartungsplattform von GICON® konzipiert

Ein entscheidendes Projektziel hatten die Ingenieure der GICON® bereits Ende 2019 gemeistert. Unter der Federführung von GICON®-Projektleiter Dr. Frank Adam entstanden die Entwurfspläne für eine Wartungsplattform, welche auf 1.800 m² Platz für 32 Personen auf zwei Decks bieten soll. Hauptaufgabe der Plattform ist es, dem Wartungsbedarf für Offshore-Windparks weit entfernt von der Küste gerecht zu werden. In Zukunft ist eine Wartung vor Ort, mit Blick auf Lagerung von kleineren Ersatzteilen, der Reduzierung von Kosten im Bereich des Schiffs- bzw. Hubschraubertransfers, wichtig. Zusammen mit den Partnern des  Entwicklungszentrums für Schifftechnik und Transportsysteme EV, der NEMOS GmbH, der Technischen Universität Hamburg-Harburg, dem Schiffdesigner ICE und dem Lehrstuhl für Windenergietechnik der Universität Rostock (LWET) hatte man sich zu Beginn der Arbeiten klare Ziele gesetzt:

  • eine Plattform mit Gebäude, welches lebenswert ist
  • eine Plattform, welche energieautark ist
  • eine Plattform, welche wenig Eigenbewegung
  • auf der Meeresoberfläche zulässt
  • eine Plattform in robuster modularer Bauweise

„Als Standort für unsere Studien und Entwicklungsentwürfe haben wir uns für ein Gebiet im Mittelmeer südlich von Frankreich entschieden“, erläutert Dr. Adam die Herangehensweise der Ingenieure, „dabei war es wichtig eine Umgebung zu finden, welche sich für einen Windpark eignen würde“. Weiter wurde geschaut, wo es erste Grid-Anschlüsse gibt und Trockendocks für den Zusammenbau der schwimmenden Inseln und Gebäude. „Wir haben bei der Konzipierung der Hubs auf die Erfahrungen aus der Gas & Öl-Industrie zurückgegriffen. Es sollte eine Balance zwischen Arbeit und Privatsphäre geschaffen werden“, so Dr. Adam. Der Fachbereichsleiter für Offshore-Windenergie innerhalb der GICON®-Gruppe entwarf mit seinem Team ein Gebäude auf vier stehenden Säulen, welche auf die schwimmende Unterstruktur mit Kantenmaß 45x45m montiert sind. Ein wichtiger Kostenfaktor für den künftigen Einsatz auf dem Meer. „Den Abschluss bildet ein lichtdurchfluteter, grüner Innenraum“, so Frank Adam.

Inseln autark von fossilen Rohstofflieferungen gestalten

Falk Wittmann, Fachbereichsleiter für Energieeffizienz war für den Bereich der Energieversorgung des Hubs zuständig. „Wir mussten die Inseln autark von fossilen Energieträgern gestalten. Aus dem Grund haben wir uns nur mit erneuerbaren Energieträger auseinander gesetzt, um diese zur Deckung der notwenigen Strom-, Wärme-, Kälte- und Frischwasserbedarfe der Plattform einzusetzen.“ Das finale Konzept sieht vor, dass Elektrizität beispielswiese durch eine Windkraftanlage, Solaranlagen und einen Wellengenerator erzeugt wird. Wärme zur Beheizung der Arbeitsräume soll mit Hilfe von Wärmepumpen bereit gestellt werden, denn „Umweltwärme ist insbesondere im vorliegenden Fall durch das Meereswasser jederzeit frei sowie auf einem vergleichsweise konstantem Temperaturniveau verfügbar“. Zur Frischwassergewinnung sieht das Konzept eine Wiederaufbereitung des anfallenden Nutzwassers vor. Die überschüssige Elektroenergie wird stets mit Hilfe von Batteriespeichern aufbewahrt. In Verbindung mit einem ebenfalls im System vorgesehenen Wärmespeicher können somit die regenerative Energiebereitstellung und die Energiebedarfe zeitlich entkoppelt und auch über größere Zeiträume in Einklang gebracht werden. "Unsere Analysen zur praktischen Anwendung haben gezeigt", führt GICON®-Projektleiter Frank Adam aus, "dass die Batteriespeicher nie vollständig entladen werden, wir also mit unserem angestrebten Energiemix, den Tagesbedarf der Plattformen jederzeit abdecken können!"

Mikroalgen für die Ernährung der Menschen nutzen

Wie können Menschen auf den schwimmenden Plattformen versorgt werden? Wie funktioniert Landwirtschaft auf dem Meer? Mit diesen Fragen hat sich eine weitere Arbeitsgruppe um die GICON®-Experten Dr. Stefan Matthes sowie Dr. Martin Ecke auseinandergesetzt. "Im ersten Schritt haben wir untersucht, wo sich der günstigste Ort auf bzw. neben den schwimmenden Insel befindet, um bei der Kultivierung der Algen-Biomasse die hohen Qualitäts-, Gesundheits- und Umweltstandards einhalten zu können“. Eine der wichtigsten Erkenntnisse war es, dass auch die Landwirtschaft auf dem Meer Platz benötigt. Dieser Problemstellung kann die GICON® durch den eigenentwickelten GICON®-Photobioreaktor begegnen. Durch seine platzsparende Bauweise und der Natur nachempfundenen Tannenbaumstruktur ermöglicht dieser das weltweite Wachstum von Mikroalgen. Die jahrelangen Entwicklungsschritte konnten in Space@Sea eingebracht werden. „Wir arbeiten auf unserem Reaktor mit einem flexiblen Doppelkammerschlauch. Dabei werden die Mikroalgen in einem Teil des Schlauches kultiviert und durch Wasser in dem zweiten Teil gehalten. „Versuche im Wellentank in Wageningen haben gezeigt, dass der Doppelkammerschlauch als Basismaterial für ‚schwimmende Reaktormodule auch im Meerwasser geeignet ist“, so Biosolar-Fachbereichsleiter Dr. Ecke auf die Projektergebnisse fokussiert. „Auf marinen Standorten kann das Meerwasser zur Temperierung des Reaktorsystems genutzt werden, so dass auch bei dort naturgemäß vorherrschender, hoher Intensität der Sonnenstrahlung der Photobioreaktor immer im optimalen Temperaturbereich betrieben werden kann“, ergänzt Dr. Stefan Matthes. Ein weiterer Vorteil für die Kultivierung von Mikroalgen in schwimmenden, flach auf der Wasseroberfläche liegenden Reaktorsystemen ist, dass durch "die Wellen die Energie für Vermischung und Suspensionstransport liefern, was letztendlich den Energiebedarf für den Kultivierungsprozess drastisch reduzieren sollte“.

Weltweit erste Industrieeinheit in Cottbus seit mehr als einem Jahr in Betrieb

Um die Nutzung des GICON®-Photobioreaktors auf schwimmenden Inseln auf dem Meer zu testen und Abläufe nachvollziehen zu können, hat GICON® im Sommer 2019 das weltweit erste GICON®-Photobioreaktor-Oktagon am Standort Cottbus eingeweiht. Wie Bereichsleiter Dr. Martin Ecke erklärt, soll die Bauform „sicherstellen, dass auch unter fluktuierenden Umgebungsbedingungen auf der Plattform, bedingt durch Wellengang und potentielle Schwankungen, der Reaktor hydraulisch funktioniert und sich selbstständig abgleicht.“ Die weltweit erste Industrieeinheit hat im ersten Jahr ihres Betriebes viele Erkenntnisse gebracht. „Der Betrieb ermöglichte es uns, Untersuchungen zu bioverfahrenstechnischen Fragestellungen anzustellen“, so Dr. Stefan Matthes, „es wurden unter industrienahen Bedingungen Prozessgrößen wie z.B. Nährstoffmanagement und Dosierung, Automatisierung, Prozesswasseraufbereitung usw. untersucht, welche als Faktoren für den gemeinsamen Betrieb modular aufgebauter Reaktorkohorten jeweils anlagenspezifisch angepasst und betrachtet werden müssen.“ Ein Szenario für den Einsatz des GICON®-Photobioreaktors auf den schwimmenden Inseln könnte die Kultivierung von Mikroalgen zur Fütterung von Fischzuchten sein. Diese könnten als eine Nahrungsgrundlage für die Bewohner der Wartungsplattform dienen. Das EU-geförderte Projekt Space@Sea ist nach drei Jahren mit einem letzten Meeting Anfang Oktober 2020 zu Ende gegangen.

Mehr Informationen: spaceatsea-project.eu

Weiterführendes Interview mit Projektkoordinator: Maarten Flikkema

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